In: Geschnatter 3/2009

Die Reichsseesportschule Neusiedl am See


Mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland im März 1938 begannen die neuen Machthaber gemäß der nationalsozialistischen Ideologie Jugendorganisationen aufzubauen. Bereits in den ersten Wochen wurden in den einzelnen Gemeinden NS - Verbände wie die "Hitlerjugend" (HJ) oder der "Bund Deutscher Mädchen" (BdM) gegründet. Während in den örtlichen Gruppen die Ideologie gestärkt wurde, sportliche und militärische Übungen abgehalten wurden, bzw. die Mädchen auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter vorbereitet wurden, kam es ebenso zum Aufbau von HJ-Sonderorganisationen im Bezirk Neusiedl am See. Neben der Segelflugübungsstätte Winden-Jois am Hackelsberg und dem Wehrertüchtigungslager im Schloss Halbturn kam es zur Gründung der Reichsseesportschule Neusiedl am See. Um ausreichend geschulten Nachwuchs für die deutsche Kriegs- und Handelsmarine rekrutieren zu können wurden Seesportschulen in Bremerhafen, in Seemoos am Bodensee, in Prieros bei Berlin und eben in Neusiedl am See ins Leben gerufen.

Die Gründung der Reichsseesportschule (RSSS IV) in Neusiedl am See erfolgte 1939 und wurde am 27. August auf den Namen "Admiral Wilhelm v. Tegetthoff" getauft. Die Segelsportschule befand sich rechter Hand am Ende des Zufahrtsdammes der Gemeindebadeanlage bei der ehemaligen "Restauration Günther". Die Anlage, die vollkommen auf Piloten stand, bestand aus zwei hölzernen Gebäudegruppen, die mit einem breiten Hauptsteg verbunden waren. Kam man von Land, so musste man die Wache passieren und betrat danach den Exerzierplatz. An der rechten Seite waren die Mannschaftsunterkünfte mit Wasch-, Dusch- und Toilettenräumen untergebracht. Zudem waren neben der Mannschaftsunterkunft noch die Räumlichkeiten der Wache, das Revier, die Kleiderkammer sowie das Materiallager und die Segelkammer untergebracht. Das zweite Gebäude war das Führergebäude mit Personalkombüse, Verwaltung und Speisesaal, der auch als Unterrichtsraum diente. Als Ausbildungsboote standen drei voll ausgerüstete Segelkutter der Type II mit maximal 40 cm Tiefgang, 2-0-Jollen, eine 15m² Rennjolle und für Schleppfahrten ein Motorboot zur Verfügung.
 
Die Lehrgänge dauerten 4 Wochen und endeten mit der A-Segelscheinprüfung, wobei danach der Lehrgang zur B-Prüfung stattfand. Die Ausbildung diente zur Berufsausbildung der Handelsmarine. Sie hatte ein umfangreiches Ausbildungsprogramm, sowohl in praktischer als auch in theoretischer Hinsicht, z.B. Bootsbaukunde, Pullen, Rudern, Segeln, Bootskommando, Wetterkunde, Ausbildung am Kutter bei verschiedenen Windstärken, Ankerkunde, Tauwerk, Materialkunde, Steuerungskunde, Lichterführung, Schiffstypen, Signaldienst und vieles mehr.

Einen Lehrgang besuchten 80 bis 120 Jugendliche, die zuvor eine Aufnahmeprüfung absolvieren mussten. Um aufgenommen zu werden, wurde einerseits die sportliche Eignung überprüft, andererseits war die HJ-Mitgliedschaft erforderlich und zudem fand eine Überprüfung der politischen Gesinnung der Eltern statt. Burgenländische Teilnehmer in der Reichsseesportschule in Neusiedl am See gab es nicht.

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