Der aus Bayern stammende Conrad Patzenhofer eröffnete 1852 in Siegendorf eine Rübenzuckerfabrik. Die Fabrik wurde in den nächsten Jahrzehnten sukzessive ausgebaut und bot hunderten von Arbeitern einen Arbeitsplatz. Aus der landwirtschaftlich geprägten Gemeinde Siegendorf wurde eine der ersten Arbeitergemeinden des heutigen Burgenlandes. Mit Kriegsende und dem Zusammenbruch der Monarchie im Herbst 1918 herrschten in vielen Orten, insbesondere in den Arbeiterzentren, anarchistische Zustände. So auch in Siegendorf, wie die Ödenburger Zeitung berichtet:
„Wie es in Czinfalva zugeht!
Von Herrn Conrad Patzenhofer, dem Besitzer der Zuckerfabrik in Czinfalva (Siegendorf) erhalten wir eine Zuschrift, in welcher er uns die ganz unglaublichen Zustände dort schildert. Er gibt seiner Verwunderung darüber Ausdruck, daß behauptet wird, dort sei alles ruhig. Herr v. Patzenhofer weiß das besser, da jeden zweiten Tag bewaffnete Angriffe auf die Fabrik stattfinden. Man kann wirklich nicht behaupten, dass das gemütliche Zustände seien! Auch in der Nacht des 2. November hat ein Feuergefecht zwischen der Bewachungssoldaten der Fabrik und den Einwohnern von Siegendorf stattgefunden. Da die Diäten für die Nationalgarde unklugerweise auf zehn Kronen per Tag herabgesetzt wurden, so hatte dieselbe nichts eiligeres zu tun, als sich schleunigst aufzulösen. Mit diesem Schutz ist also nicht mehr zu rechnen, dagegen wurde nur ein Teil der Gewehre wieder abgeliefert. An Schußwaffen ist aber sonst kein Mangel in Czinfalva, sonst könnten die geschilderten Angriffe ja nicht fortwährend sich wiederholen.
Auch betreffs des ersten Überfalles, der in der Nacht vom 10. Auf den 11. d. erfolgte, erhalten wir nachträglich noch folgende Schilderung: Es drangen etwas dreißig bewaffnete Burschen in die Fabrik und der diensttuende Beamte wurde mit vorgehaltenem Gewehr gezwungen, ihnen Zucker schleudern zu lassen. Eine Abteilung drang auch in das Magazin und raubte dort eine große Partie Baumwolltücher, welche für die Filterpressen unentbehrlich sind. Spät erst kam die Gendarmerie und Finanzwache und vertrieb durch einige Schüsse die frechen Eindringlinge.
Wir erlauben uns nun bei der zuständigen Behörde anzufragen: Wäre es nicht an der Zeit – wir glauben es ist allerhöchste Zeit – gegen solche Zustände ganz energisch einzuschreiten? Den Unbefugten die Waffen abzunehmen, geht es nicht in Güte, dann mit Gewalt! Und beim nächsten Überfall ganz rücksichtslos die Räuber – denn das sind sie – unter Feuer zu nehmen? Mit Nachsicht und sanfter Duldung ist da nichts zu machen. Die Leutchen sollen mal sehen, daß das, was sie für einen guten Spaß halten, keiner ist, und die Lust zu solchen Überfällen wird ihnen schon vergehen, hoffentlich ganz und für immer und ohne, daß es zum Äußersten kommt. (Ödenburger Zeitung vom 23. November 1918, S.2)
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