Bis in die späten 1920er Jahre bleibt die NSDAP im Burgenland eine unscheinbare Gruppe. Zu ihrer Kernschicht gehören im wesentlichen Studenten und Akademiker, die vielfach während der Studienzeit an den städtischen Universitäten mit dem Nationalsozialismus in Kontakt kommen und später die Partei im Burgenland anführen. Ebenso hoch ist der Anteil an Beamten, die zumeist aus deutschsprachigen Gebieten der ehemaligen Monarchie vertrieben worden sind und deshalb verbittert und sehr national eingestellt sind. Nationalsozialistische Gruppen treten im Burgenland nach der Angliederung an Österreich 1923 und 1925 kurzfristig vereinzelt auf. Bruckneudorf, Sauerbrunn oder Mattersburg, die ältesten Ortsgruppen der NSDAP im Burgenland, bleiben unbedeutend und bestehen nur kurze Zeit. Bereits zur Anfangszeit der Partei kam es zwischen den Nationalsozialisten und der jüdischen Bevölkerung im Burgenland zu Auseinandersetzungen.
Das Landesgendarmeriekommando für das Burgenland berichtet über die Vorfälle bei der Gründung der Nationalsozialistischen Ortsgruppe Mattersburg:
„Am 29.XI.1925 um ca. 15 Uhr fand im Gasthaus des Anton Steiger in Mattersburg, Hauptplatz Nr. 3, die Gründung der Ortsgruppe Mattersburg der nationalsozialistischer (Hackenkreuz) Formation statt, bei der ca. 20 Mitglieder darunter 6 Uniformierte aus Wr. Neustadt anwesend waren.
Nach der Versammlung begaben sich diese Mitglieder mit ihren Obmann Stationsvorstand Dawid Höbling in Wiesen in das Extrazimmer des Gasthauses Steiger und sangen dort Nationallieder, wodurch sich die dort anwesenden Juden beleidigt fühlten und das Gasthaus verliessen.
Ausserdem wurde auch von einen Mitglied der nat.sozialistischer Partei die Äusserung getan, dass heute nur 20 Hackenkreuzler hier sind und in späterer Zeit 500 Hackenkreuzler kommen werden. Dadurch wurden die Juden in Mattersburg in Aufregung versetzt und befürchteten, dass die Nationalsozialisten in die Judengasse kommen und sie verprügeln werden.
Es haben sich daher in der Judengasse ca. 100 Juden meist junge Burschen versammelt, einige mit Stöcken bewaffnet, und so den Abmarsch der Nationalsozialisten abgewartet, die jedoch dir Gendarmerie-Patrouille zerstreut und ein eventueller Zusammenstoss verhindert wurde.
Um ca. 19 Uhr sind die Nationalsozialisten vom Gasthaus Haider, wo sie mittlerweile als Gäste eingekehrt waren, in aller Ruhe zum Bahnhof-Mattersburg abmarschierten.
Hiebei sind einige Juden mit Stöcken nachgegangen wobei es als einige Mattersburger Nationalsozialisten vom Bahnhof zurückgingen mit einigen Juden zu Auseinandersetzungen kam und den Juden die Prügel abgenommen wurden.
Zu irgend einer Rauferei oder Ruhestörung kam es hiebei nicht, doch waren die Juden auch noch nachher in der Judengasse versammelt.
(BLA. Polizei 1926, 204/26)
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