Bei der Angliederung des Burgenlandes an Österreich 1921 verfügte das neue Bundesland Burgenland nur über ein rudimentäres Eisenbahnnetz von rund 300 km Gleisanlagen. Zudem fehlte eine Nord-Süd-Verbindung im Land und teilweise eine Anbindung an das österreichische Eisenbahnnetz – so auch in Pinkafeld, einem wichtigen burgenländischen Industrieort. Aus diesem Grund begann man mit der Errichtung der Bahnverbindung von Pinkafeld nach Friedberg. Zur Finanzierung beabsichtigte die Landesregierung, die Bewohner des Oberwarter Bezirkes mit einer „Eisenbahnsteuer“ zu belasten. Dagegen regte sich alsbald Widerstand, wie die Oberwarther Sonntags-Zeitung 1923 berichtete:
„Donnerstag, den 28. Juni fand im Sitzungssaale des Gemeindehauses in Oberwarth eine Versammlung aller Berufsstände statt, welche gegen die geplante Einhebung eines Beitrages zu den Baukosten der Bahn Pinkafeld-Friedberg in Form einer Eisenbahnsteuer im Oberwarther Bezirk allein einhellig Stellung nahm.
Bürgermeister Sisko eröffnete die Versammlung und erklärte den Anwesenden, daß die Landesregierung beabsichtige einen teil der Baukosten der Bahn Pinkafeld-Friedberg mit der Landesumlage, also im Steuerwege im Bezirke Oberwarth einzuheben. Da dies eine unerträgliche Belastung jedes einzelnen Steuerträgers des Bezirkes bedeute, ersuchte Redner den anwesenden Nationalrat Binder im Namen der Gemeinde dagegen Protest zu erheben.
Nationalrat Binderergriff sodann das Wort und bewies, gestützt auf Tatsachen die Unmöglichkeit der Leistung einer solchen bedeutenden Abgabe. Er anerkannte vollinhaltlich den Protest der Steuerträger der Gemeinden gegen die Einhebung im Bezirk Oberwarth allein. Redner erörterte die Bedeutung der Bahn und versprach, die Forderung nach Aufteilung der Baulasten auf das ganze Burgenland und die angrenzenden Gebiete mit allen zu Gebote stehenden Mittel energisch zu vertreten.
Hierauf ergriff Genossenschaftsvorsteher Varga das Wort und gab dem Wunsche der hiesigen Gewerbetreibenden Ausdruck, daß mit dieser Abgabe nicht allein die hiesigen Gewerbetreibenden, sondern alle Interessenten im Burgenlande und in den angrenzenden Ländern belastet werden solle.
Geschäftsleiter Raizar legte in sachlicher Weise die ungünstigen Verhältnisse der einheimischen Industrie und des Gewerbes dar, indem sie heute durch die kolossalen Zufuhrspesen aller Rohprodukte und durch Abgaben zumindestens in der gleichen Höhe wie in Österreich konkurrenzfähig geworden sind und nun außerdem noch durch die Baukosten zu einem Bahnbau, den sich der Bundesstaat zur Ehrensache gemacht hat, übermäßig belastet werden sollen. Redner beantragt, daß wenn die Steuer schon eingehoben wird, sie auf alle Interessenten ausgedehnt werde und daß die Steuerträger vorerst sichere Garantien erhalten, daß ihre Leistungen auch tatsächlich zur raschen Durchführung des Baues verwendet werden und nicht wie bisher begonnene Arbeiten verschleudert werden müssen.
In demselben Sinne sprachen noch Bürgermeister Sisko, Schriftleiter Reiß, Baurat Köhler und Kaufmann Kenessey. Schließlich faßte die Versammlung den einstimmigen Beschluß, gemeinsam mit den größeren Gemeinden des Bezirkes ein Protesttelegramm folgenden Inhaltes an alle Landtagsabgeordneten des Bezirkes Oberwarth abzusenden- „Gefertigte Gemeinde protestiert gegen Gesetzantrag der einseitigen Belastung des Oberwarther Bezirkes durch Eisenbahnsteuer, bittet um Stellungnahme, daß diese Steuer, wenn unerläßlich, auf alle Interessenten auch Nachbarländer ausgedehnt werde, wobei ungesäumte Durchführung des Bahnbaues zur Bedingung macht.“
(Oberwarther Sonntags-Zeitung vom 1. Juli 1923, S. 2)
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