Am 26. April 1986 kam es im Atomkraftwerk Tschernobyl, nördlich von Kiew, zum bisher schwersten Reaktorunfall. Die damalige Sowjetunion hielt den Super-GAU tagelang geheim, erst zwei Tage später wurde eine erhöhte Radioaktivität in Schweden gemessen. Wind und Regen trugen die Radioaktivität ebenso nach Mittel- und Westeuropa und am Abend des 28. Aprils 1986 wurde auch die österreichische Bevölkerung über die Atomkatastrophe informiert. Die Regierungsverantwortlichen waren um Beruhigung bemüht, sprachen aber gleichzeitig erste Vorsichtsmaßnahmen aus. Einem Aktenvermerk vom 2. Mai 1986 ist zu entnehmen, wie in Kindergärten und Schulen mit der Situation umgegangen werden sollte. Bezirkshauptmannschaften und die Magistrate Eisenstadt und Rust wurden folgendermaßen von den Landesbehörden informiert:

Strahlenspürtrupp der Gendarmerie bei der Übung „Annahme eines Störfalls in einem grenznahen Atomkraftwerk“ in Mattersburg 1988

„Laut telefonischer Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz (Büro Bundesminister Franz Kreuzer – Frau Dr. Kahr) wird die für das Kindergartenwesen zuständig Abteilung, Schulabteilung, ersucht, an die Kindergärten bzw. Kindergartenerhalter folgende Mitteilung weiterzuleiten:
Folgende Empfehlungen des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz bleibt aufrecht: Die Kinder sollen sich – wenn möglich – nicht im Freien aufhalten; wenn dies nicht vermeidbar ist, nicht im Sandkisten spielen lassen, keine Spaziergänge im hohen Gras oder durch Pfützen unternehmen, möglichst wenig Bodenberührung, zu starken Bodenkontakt vermeiden. Anschließend wurde noch hinzugefügt, daß – laut Rückfrage – kein Grund zur Panik besteht.“
Information an alle Lehranstalten vom 6.5.: „Im Hinblick auf mögliche Gefährdung von Schülern durch radioaktive Staubpartikel im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall in der UDSSR wird dringend empfohlen, bis auf weiteres von einem Unterricht aus Leibesübungen im Freien abzusehen. Diese Vorsichtsmaßnahme betrifft auch alle Schulsportbewerbe und Schulveranstaltungen, wie Wandertage, Schullandwochen und Schulsportwochen, die Aktivitäten im Freien vorsehen.“
(BLA. Regierungsarchiv. VII-72-1989)
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass Österreich zu den am meisten radioaktiv belasteten Ländern West- und Mitteleuropas gehörte.