Moses Krausz, der Lehrer der jüdischen Schule in Frauenkirchen, wurde wie auch alle anderen Mitglieder der jüdischen Gemeinde Frauenkirchen verhaftet und zu Verhören zur Gestapo gebracht. Still erduldete er die Misshandlungen. Die Gestapo-Beamten forderten den Verzicht auf sein Vermögen und die Ausreise. Entrechtet und enteignet verbrachte er verzweifelte und schlaflose Nächte. Seinen Aufzeichnungen über diese Situation beginnt Moses Krausz mit dem Bibelspruch „Doch wovor ich gezittert, das traf mich, was ich gefürchtet, das kam über mich.“
„Mein Leidensweg (kurz)
Am 19. April 1938 morgens wurde ich durch zwei sogenannte SA-Männer, unter Kommando eines sogenannten SS-Mannes verhaftet, eingesperrt bei Entzug von Wasser und Nahrung, abends zur Gestapo geführt (beim Gendarmeriepostenkommando in Frauenkirchen, Bgld.) entrechtet, enteignet, ausgewiesen. Mit letzter Kraft konnte ich noch einen Ohnmachtsanfall verhindern. Schlaflose Nächte, Verzweiflung; Die Wahl: Bettelstab oder Tod. Über Befehl des damaligen Bürgermeisters Tibor Püsök [sic!] mußten alle Juden Frauenkirchen bis zum 30. Juni verlassen. Am 17. August 1938 kam zu mir (Wien, 9. Van Swietengasse 6/8) ein Gestapo-Beamter mit der Aufforderung am nächsten Tag morgens bei der Gestapo in Eisenstadt zu erscheinen. Am 18. August: Bei der Gestapo in Eisenstadt körperliche und seelische Mißhandlung.“ (Aus: Herbert Brettl, Die jüdische Gemeinde von Frauenkirchen, Oberwart 2016, S. 183)
„Man fühlt sich grauenvoll und schämt sich“
Heute auf morgen, ohne Vorwarnung, kam plötzlich die Gestapo in der letzten März-Woche im Jahr 1938 in die Häuser jüdischer Familien und zwang sie eine Verzichtserklärung auf ihr gesamtes Vermögen zu unterzeichnen. Jeder, der sich weigerte, wurde deportiert. Da ist nur verständlich, dass viele als sogenannte U-Boote untertauchten und vom „Radar“ der Nationalsozialisten verschwanden.
Unter dem Namen der Arisierung beraubte man tausende Juden des Eigentums und drohte mit Deportation, um an ihr Vermögen zu kommen. Deportation war gleichbedeutend mit dem Tod. Man stelle sich nur vor, wie es diesen Menschen ergangen ist. Die jüdischen Familien saßen nichts ahnend abends beim Essen gemütlich mit der Familie zusammen, als es plötzlich an der Tür klopfte. Unbekümmert öffnete die Dame des Hauses die Tür und wurde ruppig zur Seite gestoßen. Männer in dunkler Gestalt und harschem Ton befahlen ihrem Gatten mitzukommen und keine Fragen zu stellen. Bekleidet nur mit dem Hausanzug wurde man ins Polizeirevier geschleppt, um anschließend duzende Fragen über sich ergehen lassen zu müssen. Dabei ist man nicht zimperlich mit den Juden umgegangen. Unter Entzug von Nahrung und Trinkwasser wurden sie anschließend eingesperrt, enteignet, entrechtet und ausgewiesen. Kaum vorzustellen, welche Qualen und Ängste diese Menschen durchstehen mussten.
Ja ich fühle mich grauenvoll, wenn ich von so einer abartigen, grausamen und rücksichtlosen Handlung direkt vor meiner Haustür lesen muss. Ich schäme mich für eine Generation, die es nicht besser wusste, denen man Hass und Hassgedanken einprägte und die sich am Ende nicht wehren konnte. Mit Sicherheit gibt es viele, welche die Geschichte der jüdischen Bevölkerung lieber hinter sich lassen möchten, um einen Schlussstrich zu ziehen. Auch wenn man lieber über die Zeit der Habsburger und Esterházy hören und lesen möchte, ist die Arisierung nun mal Teil unserer Geschichte. Somit lässt sich auch kein Schlussstrich ziehen. Die Geschichte einfach abzuhaken ist nicht möglich, da diese Menschen noch teilweise unter uns leben, als Zeitzeugen fungieren und uns immer wieder die schrecklichen Bilder von damals in Erinnerung rufen.