Die schwach entwickelte Industrie, die kleinstrukturierte Landwirtschaft und das einfache Gewerbe des Burgenlandes boten nur wenige adäquate Arbeitsplätze. Da der Erhalt des gewohnten Umfeldes, Familie, Freunde, Vereine etc. für viele Betroffene jedoch wichtig ist, ist das Pendeln seit langer Zeit das Schicksal vieler Burgenländerinnen und Burgenländer. Morgens zur Arbeit, am Abend wieder nach Hause zu fahren, bringt große physische und psychische Belastungen mit sich und beeinträchtigt das Sozialleben immens. Ein burgenländischer Pendler beschreibt seine Situation in einem Leserbrief:
„Es ist nun schon über ein Jahr, daß ich meinen Arbeitsplatz in Wien habe und ich fahre jeden Morgen mit dem Autobus zur Arbeit nach Wien und komme abends wieder heim. Der Autobus fährt aus meinem Heimatort ab und ich habe nur wenige Minuten zu gehen bis zur Haltestelle.
Früher habe ich in Wr. Neustadt gearbeitet. Da bin ich mit der Bahn gefahren. Bis zum Bahnhof mußte ich jeden Morgen 4 Kilometer mit dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen. Bei schlechtem Wetter war das scheußlich. Oft war man durch und durch naß, wenn man am Bahnhof ankam. Abends den gleichen Weg zurück, vielleicht bei noch schlechterem Wetter.
Meine Frau wußte, daß ich dann nicht nur ein gutes warmes Abendessen brauchte, sondern auch eine gute Weile Zeit, um innerlich aufzutauen und mich richtig daheim fühlen zu können. Sie bedrängte mich weder mit Fragen noch mit dem üblichen Dorfklatsch. Wenn ich dann das Abendessen verdrückt hatte und mit Ruhe die Tageszeitung gelesen hatte, dann war ich wieder ganz da und fühlte das ‚zu Hause sein‘. Dann kam für mich und meine Frau die gute Stunde des Tages, die uns gehörte, wo wir uns gegenseitig aussprechen konnten.
Viele Männer und Frauen aus unserem Dorf sind Pendler und müssen jeden Arbeitstag mit der Eisenbahn fahren, jeden Morgen und jeden Abend haben sie den langen Weg bei jedem Wetter vor sich. Ich kann verstehen, daß sie daher abends wenig Lust haben noch einmal die Wohnung und die Familie zu verlassen. Darum ist in unserem Dorf mit dem Vereinsleben und mit dem Gemeinschaftsleben wenig los und dies finde ich als ungut. Der arbeitende Mensch sollte doch auch einige Stunden in frohen aber auch ernsten besinnlichen Gesprächen haben.
Ich bin wirklich froh darüber, daß ich nun mit dem Autobus in die Arbeit und jeden Tag heimfahren kann. Diesen Winter war ich ganz besonders froh, daß uns unser gutgeheizter Bus jeden Tag pünktlich nach Wien und heimgebracht hat. Und doch habe ich an den kalten Tagen oft an die Arbeitskollegen und -kolleginnen denken müssen, die auch schon so früh aufstehen müssen und dann noch den weiten Weg zur Bahn gehen müssen. Vielleicht könnte auch diese ein Autobus vom Wohnort zum Arbeitsort bringen, damit hätten es viele besser. Warum geschieht da nichts? Kümmert sich da niemand darum? Vielleicht könnten die Arbeiter selbst etwas tun? Ein Pendler“
(Aus: Der Pendler, März 1966)