Die in Stegersbach wohnende siebzehnjährige Anna K. und der aus der Untersteiermark stammende Gottfried R. beschlossen 1942 zu heiraten. Gemäß des Ehetauglichkeitsgesetzs begab sich Anna, die im fünften Monat schwanger war, im März 1943 zum Amtsarzt nach Fürstenfeld, der ihr die „Ehetauglichkeit“ verweigerte. Anna wurde 1925 in Rauchwart als „Zigeunermischling 1. Grades“ geboren. Während ihr Vater Johann gemäß den Nürnberger Gesetzen als „Arier“ galt, war ihre Mutter Justine Zigeunerin. Obwohl der Amtsarzt ihr und ihrer Familie ein gutes schulisches und sittliches Verhalten bescheinigte und das Aussehen der Familie der „hiesigen Durchschnittsbevölkerung“ entsprach, wurde ihr Heiratsantrag abgelehnt.
RassenpflegeVerzweifelt wandte sich daraufhin Anna an den Reichsstatthalter der Steiermark und bat ihm um Hilfe. Dabei führte sie an: „Ich bitte um die Bewilligung zur Eheschließung mit Rossmann Gottfried, geb. 25.10.1902 in der Untersteiermark. Da meine Mutter dem Blute nach Zigeunerin ist. Der Vater war aber Deutscher, bin also ein Mischling. Ich bitte en Reichstatthalter mir die Bewilligung zur Eheschließung gültigst zu erteilen. Da ich noch nie unter Zigeuner gewohnt habe, auch meine Mutter nicht. Spreche keine andere Sprache als Deutsch. Bin auch in einer deutschen Schule gegangen. Auch meine Geschwister besuchen heute noch immer die deutsche Schule. Meine zwei Brüder kämpfen fürs deutsche Vaterland. Mein älterer Bruder diente schon 6 Jahre beim Militär, hat schon mehrere Feldzüge mitgemacht und wurde schon viermal verwundet. Der jüngere Bruder war beim Arbeitsdienst, und jetzt ist er bei der Wehrmacht. Wurde in Russland zweimal verwundet und ist zum Gefreiten befördert worden. Mein Bruder hat in Salzburg beim Militär geheiratet, schon unter der deutschen Regierung. Ich habe am 14. Dezember beim Standesamt Stegersbach die Einschreibung gemacht und bis heute ist nichts erledigt.
Ich bitte den Herrn Reichsstatthalter im Namen meines Bräutigams um die Bewilligung zur Eheschließung bald zu erhalten, denn ich befinde mich im 5 Monat in Schwangerschaft. Ich möchte nicht gerne haben, dass mein Kind unehelich auf die Welt kommt.
Heil Hitler Anna K.“
Wohl durch den Eheantrag wurden die Behörden auf die Familie K. aufmerksam. Im April 1943 wurden die Braut Anna, ihre Mutter Justine und ihre Geschwister Alois, Franz, Karl und Maria nach Auschwitz deportiert, wo alle den Tod fanden. Anna verstarb am 27. Jänner 1944 im „Zigeunerlager“ Auschwitz. Ihr „arischer“ Vater Johann wurde als „Asozialer“ in das Konzentrationslager Dachau deportiert und verstarb im KZ Buchenwald.

Der Standesbeamte in Stegersbach meldete im Juli 1943 dem Landrat in Fürstenfeld lapidar: „Die Familie K. wurde bereits nach Polen abgeführt. Auch die Tochter, die den R. ehelichen wollte. Diese Eheschließung ist daher nicht mehr aktuell. […].“ (Steiermärkisches Landesarchiv; BH Fürstenfeld, 12/E2 Erb und Rassenpflege A-G, Karton 106, Jg. 1939/45)