Bei der Angliederung des Burgenlandes an Österreich waren rund zwei Drittel der burgenländischen Bevölkerung in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigt. Vielfach waren dies Klein- und Zwergbauern bzw. landwirtschaftliche Taglöhner, die versuchten, mit der Produktion und dem Verkauf ihrer Produkte ein wirtschaftliches Auskommen zu finden. Den Handel dominierten jedoch vielfach Händler aus Wien, deren Preisgestaltung zu großer Kritik führte. Die Polizeiabteilung der Burgenländischen Landesregierung berichtet über die wirtschaftlichen Verhältnisse und den Handel im Burgenland im November 1922 Folgendes:
„Dieselben sind auch für jenen Teil der Bevölkerung, welche hauptsächlichst von Erdäpfel und Kraut lebt, infolge der recht guten Kartoffelernte etwas besser geworden. Trotzdem sind sie aber im allgemeinen, wegen der in den letzten Wochen in´s Unermessliche gestiegene Teuerung ungünstig.
Die Preise sämtlicher Bedarfsgegenstände sind bedeutend höher als i Niederösterreich und Wien, dasselbe von dort eingeführt werden und anscheinend ein übermässiger Nutzen, wie auch sehr hohe Reisespesen darauf geschlagen werden.
Jene wenigen Lebensmittel aber, welche im Lande sind, werden durch die Händler, die meist aus Wien kommen, im Preise derart in die Höhe getrieben, dass die Ortsansässigen nicht mehr in der Lage sind, diese exorbitanten Preise zu halten und um solche etwas zu erstehen.
Die Bauern und Besitzer sind allerdings bei diesen Preisen, die die Wiener oftmals um das Doppelte übersteigen wie nicht minder durch die Millionengewinne aus der heurigen vorzüglichen Obsternte, reich geworden und zahlen nebstbei lächerlich geringe Steuern.
Die Preise werden von den Erzeugern ganz willkürlich, ohne jede Furcht vor der Obrigkeit, erstellt und gehen in´s Uferlose. Bei den Geschäftsleuten ist wiederum der Getreidepreis derjenige, auf welchen sie ihre Ware basieren. So geht alles sprunghaft in die Höhe, die Behörden setzen diesem Treiben keinerlei Schranken, die Unzufriedenheit im Volke wächst von Tag zu Tag, erzeugt einen immer grösseren Hass zwischen Produzenten und Konsumenten und nährt den stetig steigenden Groll in den politischen Parteien.
Die Weinernte wird, wenn auch an Quantität und Qualität schwächer, als man noch vor Wochen erhoffte, immerhin noch eine sehr gute sein und wird Most für 350 ungar. Kronen, der vorjährige lagernde Wein um 300 – 450 ungar. Kronen verkauft.
Grosse Verdienste erzielen auch die Besitzer für das aus dem Seegebiete gewonnen Schilfrohr.
Der Herbstanbau ist in einzelnen Gegenden infolge des schlechten Wetters zurückgeblieben. Durch das Zurückfallen der Grenzgemeinden am Pinkaboden an Ungarn wird der Bezirk Oberwarth in landwirtschaftlicher Beziehung Schaden erleiden, weil diese Gemeinden zu den fruchtbaren zählen und ihren Überschuss meistens in die anderen Gemeinden dieses Bezirkes abgestossen haben.“ (BLA Polizei 1923. 4-5. 11-45)