Durch das Ehepatent von 1783, in dem es um eine klare Trennung zwischen dem kirchlichen Ehesakrament und dem staatlichen Ehevertrag ging, konnten sich zumindest Nichtkatholiken einvernehmlich scheiden lassen und damit erneut heiraten. Für Katholiken galt dies allerdings nicht. Sie konnten zwar getrennt leben, doch blieben sie verheiratet, da das Sakrament der Ehe heilig war und ist und kirchliche Ehen nur durch den Tod eines Partners oder durch die Annullierung geschieden werden.
Infolge von heftigen Konflikten in der Frage der Mischehen wurde in Ungarn, trotz heftigen Widerstandes der katholischen Kirche, 1895 das Standesamtsregister eingeführt. Damit wurde im Gegensatz zu Österreich den Kirchen die alleinige Führung der Matrikel und die Zivilehe entzogen. Ehen konnten seither zivil geschieden werden. Die Zivilehe wurde auch nach der Angliederung an Österreich im Burgenland beibehalten. Für das übrige Österreich war dies erst 1938 durch die Übernahme des deutschen Ehegesetzes möglich.
Das Ehegesetz wurde 1945 auch großteils von der Republik Österreich übernommen.
Die Kriegsereignisse hatten zur Folge, dass nach 1945 mehr Ehen in Österreich geschieden wurden. Auch im Burgenland kam es zu mehr Scheidungen, wobei das Bundesland auf Grund seiner ländlichen und kirchlichen Prägung den anderen Bundesländern etwas hinterherhinkte, wie ein Pressebericht des Burgenlandes zeigt:
„Im Burgenland wurden im Jahre 1957 insgesamt 89 Ehen geschieden, das ist rund ein Prozent der gesamten in Österreich getrennten Ehen. Damit steht es auch im Berichtsjahr unter den österreichischen Bundesländern hinsichtlich der Scheidungsziffer an letzter Stelle. Auf 1.000 bestehenden Ehen fällt nur eine geschiedene Ehe, eine Zahl, mit der das Burgenland ebenfalls in der Statistik schon seit Jahren aufscheint.
Von den 89 im Burgenland gelösten Ehen wurden zwei wegen Ehebruch, 73 wegen anderer Eheverfehlungen, zwei wegen geistiger Störungen eines der Eheleute und 10 wegen Auflösung der häuslichen Gemeinschaft geschieden.[…] Die seit dem Jahre 1949 beobachtete rückläufige Tendenz der Ehescheidungen in Österreich setzte sich auch im Berichtsjahr fort. Gegenüber 1956 wurde eine Abnahme um 4 %, gegenüber dem „Rekordjahr“ 1948 mit 14.162 Ehescheidungen sogar ein Abgang von 42 % verzeichnet.
Nach Bundesländern gegliedert liegt Wien mit 46 % nach wie vor an der Spitze. Es folgen Steiermark mit 15 %, Niederösterreich und Oberösterreich mit je 11 &, Kärnten mit 6 %, Salzburg mit 5 %, Tirol mit 4 % sowie Vorarlberg und Burgenland mit je 1 %.[…] Weiterhin wird in den Gemeinden bis zu 3.000 Einwohner die geringste und in Gemeinden über 100.000 Einwohnern die größte relative Scheidungshäufigkeit verzeichnet. Im Burgenland entfallen die meisten Scheidungen, nämlich 8, auf Gemeinden, deren Einwohnerzahl zwischen 3.000 und 4.000 liegt.
Die Berufstätigkeit der geschiedenen Männer betreffend, zeigen sich folgende Zahlen: Nach wie vor übten nur 4 % einen landwirtschaftlichen Beruf aus, dagegen waren 41 % i Industrie und Gewerbe, 25 % im Handel und Verkehr tätig. 10 % waren Lohnarbeiter, 7 % angehörige der Betriebe des Bundes, der Länder und Gemeinden, 5 % öffentliche Bedienstete, 3 % übten einen freien Beruf aus, 3 % waren Rentner oder Pensionisten.
Die Zahl der geschiedenen Frauen, die einen Beruf ausüben, ist weiterhin im Steigen begriffen. Während im Jahre 1954 von 100 geschiedenen Frauen nur 45 berufstätig waren, stieg diese Zahl auf 56 im Berichtsjahr. Man kann somit den Schluß ziehen, daß die wirtschaftliche Unabhängigkeit aber auch die doppelte Belastung der Frau im Beruf und Haushalt auf die Dauer ein schweres Hindernis für ein glückliches Familien- und Eheleben darstellt. In Wien waren sogar 69 von 100 Frauen im Berichtsjahr geschiedene Frauen berufstätig.
Die überwiegende Mehrheit der im Jahre 1957 geschiedenen Ehen, nämlich 7.372 (90 %) wurde aus dem Verschulden der Ehepartner geschieden. 4 % der geschiedenen Ehen hatten nicht einmal ein Jahr bestanden, 29 % währten 1 bis 5 Jahre, 30 % 5 bis 10 Jahre, 28 % trennten sich nach 10– bis 20jähriger Ehe und 9 % ließen sich nach einer Ehedauer von mehr als 20 Jahren scheiden. Die durchschnittliche Ehedauer betrug wie im Vorjahr 9 ½ Jahre.[…] Die größte Zahl der Scheidungen hatte bei Männern und Frauen die Altersgruppe der 30- bis 40jährigen (35 % bzw. 38 %) aufzuweisen. 7 % der geschiedenen Männer und 27 % der geschiedenen Frauen hatte die Ehe noch vor ihrer Großjährigkeit geschlossen. 28 Männer waren im Zeitpunkt ihrer Scheidung noch nicht großjährig, vier Frauen hatten das 17. Lebensjahr noch nicht vollendet.
In 3.458 geschiedenen Ehen gab es kein Kind, 2.799 hatten ein, 1.303 zwei, 397 drei, 111 vier und 109 geschiedene Ehen fünf und mehr Kinder. […]“
(Burgenländisches Landesarchiv. Bgld. Pressebericht 1958 44 vom 31.X.58. S. 13)