Der NS-Rassenwahn war selbst in den kleinsten burgenländischen Orten spürbar. So ist ein skurriler Fall aus dem Kreis Oberpullendorf bekannt. Der damalige Kreisleiter von Oberpullendorf Paul Kiss forderte am 9. Jänner 1939 den Gendarmeriepostenkommandanten von Lutzmannsburg auf, einen Jugendlichen, einen vermeintlichen sogenannten „Negermischling“, lebend in Kroatisch Gerersdorf, in seine Heimat abzutransportieren. Die Gendarmeriestation Lutzmannsburg meldete daraufhin an die Bezirkshauptmannschaft in Oberpullendorf am 13. Jänner 1939:
„Am 12.1.1939 erhielt der Posten von der NSDAP Kreisleitung Oberpullendorf den in Abschrift angeschlossenen Auftrag zur Entfernung des in Kroatisch-Geresdorf bei seinen Großeltern in Pflege befindlichen, derzeit 13-jährigen, angeblichen Negermischlings William Milletich. Nach dem Inhalt des Auftrages ist Milletich sofort aus seiner Aufenthaltsgemeinde zu entfernen und in seine Heimat (USA) abzutransportieren. Der Genannte ist am 6.5.1925 in New York geboren und ist im Besitze eines amerikanischen Reisepasses Nr.462609, ausgestellt im Oktober 1927.
Die Mutter des William Milletich ist die am 27.1.1905 in Kroatisch-Geresdorf geborene Maria Milletich. Diese wanderte im Jahre 1922 nach Amerika aus du gebar am 6.5.1925, außerehelich den William Milletich. Ihr ae. Kind sandte sie im Oktober 1928 mit einem Europareisenden nach Hamburg, wo ihn die Großmutter Maria Miletich übernahm und nach Kroatisch-Geresdorf brachte. Seither ist das Kind bei seinen Großeltern Franz und Maria Milletich, Keuschler in Kroatisch-Geresdorf Nr. 43 im Aufenthalt und Pflege.
Die Kindesmutter hat nach Angabe ihrer Mutter im Jahre 1931 einen gewissen Josef Tschiermann, der USA Staatsbürger ist, geehelicht. Den derzeitigen Aufenthalt ihrer Tochter kann sie nicht angeben, weil sie den letzten Brief aus Amerika nicht finde, doch werde sie sich bemühen den Aufenthalt zu ermitteln. Die Adresse wird dann nachberichtet werden.
De Großmutter Maria Milletich gibt an, daß der Vater des William, nach Angabe ihrer Tochter, kein Neger, sondern ein Italiener gewesen sei. Dieser sei nach der Geburt des Kindes verschwunden.
Hiezu gibt der Kreisamtsleiter der NSDAP Dr. Hans Exner (Arzt in Lutzmannsburg und ab 1938 Kreisbeauftragter für Rassenpolitik – Anm. d. Verf.) aus Lutzmannsburg an, daß Milletich ohne Zweifel Negermischling sein und wegen seines nunmehrigen Alters aus rassenpolitischen Gründen aus dem Reiche entfernt werden müsse.
Die Großmutter Maria Milletich wäre mit der Rückstellung des Kindes nach Amerika einverstanden, doch habe sie hiezu kein Geld.
Von Vorstehendem wird mit der Bitte um Weisung, wie sich der Stationsführer im gegenständlichen Fall zu verhalten hat, um dem Auftrag der Kreisleitung zu entsprechen, Bericht erstattet.“ Der Postenkommandant

Nach einigem Hin und Her entschied man sich nicht weiter gegen William vorzugehen. Nach einer neuerlichen Untersuchung fand der Amtsarzt keine sicheren Anhaltspunkte, dass William ein „Negermischling“ sei. Zudem sah die Ausländerpolizeiverordnung vor, dass man bis zum vollendeten 15. Lebensjahr keine besonderen Aufenthaltsbewilligungen braucht. Schlussendlich dürfte die Abschiebung auch an der „Kostenfrage“ gescheitert sein und William blieb in seinem Heimatdorf. Nach seiner Schulzeit begab es sich auf Arbeitsuche nach Wien, wo er später eine Familie gründete. Immer wieder besuchte er seine Großmutter in Kroatisch Geresdorf. Insbesondere zum Kirtag kam er immer wieder in seine Heimat, um dort zu tanzen.
(Feymann Walter. Die langen Schatten der Vergangenheit. Oberwart 2015. S. 191-192; BLA Landeshauptmannschaft Niederdonau I/6a-295-XVII-1939.– Danke für die Auskünfte und Hilfe: Walter Feymann, Dieter Hauser, Martin Miletich und Ferry Fellinger)