Nach den gewaltsamen Vorfällen zwischen österreichischen Gendarmen und ungarischen Freischärlern bei der „Landnahme“ im Herbst 1921 drohte die Situation zu eskalieren. Auf Vermittlung Italiens trafen sich der österreichische Bundeskanzler Johannes Schober und der ungarische Ministerpräsident István Bethlen Anfang Oktober in Venedig. Um die prekäre Situation zu lösen, war die junge österreichische Republik zu Zugeständnissen in Bezug auf den Erwerb des Burgenlandes bereit. Die Staatsmänner einigten sich in den Venediger Protokollen darauf, dass Ungarn die Freischärler abziehen lasse und das Burgenland an Österreich übergeben werde und Österreich im Gegenzug Ödenburg und die umliegenden Dörfer an Ungarn abtrete. Damit Österreich das Gesicht wahren konnte, sollte pro forma eine inszenierte Abstimmung die Ergebnisse der „Venediger Protokolle“ legimitieren. Im österreichischen Außenministerium wollte man dennoch ausloten, wie diese Abstimmung um Ödenburg ausgehen könnte. Am 6. Dezember 1921 wurde deshalb eine statistische Studie präsentiert, die neben der sprachlichen Zugehörigkeit, Anwesenheit, Heimatberechtigung, Fortschreibung der Volkszählungsergebnisse von 1910 auch die konfessionelle und wirtschaftliche Zugehörigkeit der Bewohner betrachtete und einen „Sieg“ erwartete:
„[…] Nach den Zahlen könnte Deutschösterreich, auch wenn Kroaten und „Sonstige“ mit den Magyaren stimmten, auf einen ganz ansehnlichen Abstimmungssieg rechnen; (nämlich mit 54,7% in Ödenburg Stadt, mit 70,9% im Landgebiet und mit 59,4% im ganzen Abstimmungsgebiet.
Nun ist anzunehmen, dass nicht allein die Muttersprachenverteilung auf das Abstimmungsergebnis einen Einfluss nehmen wird, sondern dass da auch konfessionelle und wirtschaftliche Momente hereinspielen werden. Das Abstimmungsgebiet ist überwiegend christlich (94,9%, darunter 62,8 katholisch und 31,9% evangelisch). Es ist ohne genaue Ortskenntnis nicht möglich, anzugeben, wieviel Deutsche als Anhänger des Budapester „christlichen Kurses“ für Ungarn stimmen werden. Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, dass Österreich die Stimmen der 1300 magyarischen Juden in Ödenburg erhalten wird. Von Bedeutung ist weiter die Berufsverteilung der abstimmenden Bevölkerung. Wir betrachten im folgenden die Verteilung der Erwerbstätigen, die sich in ihrer Gesamtzahl derjenigen der Abstimmungsbevölkerung nähert. Die Landgemeinden besitzen zu etwa zwei Drittel landwirtschaftliche Bevölkerung, doch spielt auch die in der Industrie tätige Bevölkerung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Stadt Ödenburg hingegen (Ödenburg Umgebung ist auch hier nicht inbegriffen) hat mit ihrem Drittel landwirtschaftlich-erwerbstätiger Bevölkerung einen ungewöhnlich starken landwirtschaftlichen Einschlag. Das Übergewicht haben aber naturgemäss die städtischen Berufe.
Mit annähernder Sicherheit können wir nun annehmen, dass die Träger des öffentlichen Dienstes und der freien Berufe für Ungarn stimmen werden. Dagegen dürften aus politischen Gründen die österreichischen Stimmen einen stärkeren Zulauf aus den stark besetzten Posten Industrie (vorwiegend Arbeiterschaft), Handel und Kredit und Taglöhner, vielleicht auch Verkehr (Eisenbahnangestellte) erfahren. […]“ (BLA, Landesverwaltungsamt 2-1921. Forschung 601-E. o.Z.)
Bei der Volksabstimmung vom 14. Dezember 1921 stimmten 65,2% der Ödenburger Bevölkerung für den Verbleib bei Ungarn und nur 34,8% sprachen sich für einen Anschluss an Österreich aus.