Um die wirtschaftliche Situation der Kleingemeinden im Burgenland zu entlasten und zu verbessern, wurde 1970 eine „Gemeindestrukturreform“ von den Landespolitikern der SPÖ und ÖVP beschlossen. 254 Gemeinden, insbesondere Gemeinden unter 1.000 Einwohnern, die durch die Ausschüttung der Ertragsanteile benachteiligt waren, wurden aufgelöst und zu 73 neuen Gemeinden zusammengeschlossen. Ab dem 1. Jänner 1971 zählte man im Burgenland nur noch 138 Gemeinden. In manchen Gemeinden wurde diese Maßnahme akzeptiert, in anderen Orten stieß die Zusammenlegung auf heftige Ablehnung, Empörung und Proteste. So auch in der Gemeinde Edelstal, die mit der größeren Gemeinde Kittsee eine „Zwangsehe“ eingehen musste. Am 23. 9. 1970 sprach sich der Gemeinderat von Edelstal einstimmig gegen die Zusammenlegung aus und beschloss, den Verfassungsgerichtshof mit folgender Begründung anzurufen:
„Durch die Zusammenlegung würde die Gemeinde Edelstal in ihrem wirtschaftlichen Bestand und in ihrer Eigenständigkeit schwerstens gefährdet werden und gänzlich den jeweiligen Entscheidungen der Gem. Kittsee bzw. deren Vertreter unterliegen.
Eine Strukturverbesserung würde in keiner Weise gegeben sein, auch ein wirtschaftlicher Vorteil wäre nicht zu erwarten, da die geographische Lage auf Grund der Entfernung von 7 km, wo noch zwischen den beiden Gemeinden eine niederösterreichische Gemeinde liegt, ein Zusammengehörigkeitsgefühl niemals zustande kommen würde. Die Gemeinde ist eine rein deutschsprachige Gemeinde, hingegen ist Kittsee eine Gemeinde mit kroatischer Bevölkerung, daher ist auch die Mentalität der Bevölkerung beider Gemeinden verschieden. Durch die Vergebung von zahlreichen Hausplätzen in Edelstal an Fremde ist in absehbarer Zeit mit einer wesentlichen Zunahme der Bevölkerung zu rechnen.
Es sei noch betont, dass sich die Gemeinde Edelstal in den Nachkriegsjahren im wesentlichen aus eigener Initiative derart aufgebaut hat, dass sie unbedingt lebensfähig ist und daher sich selbst erhalten kann. Das Schwimmbad, Vermietung von hochwertigem Mineralwasser und der Zustrom von Fremden garantieren der Gemeinde die volle Selbsterhaltung.
Auf Grund dieses Tatbestandes kann die Gemeinde keine Verbesserung ihrer derzeitigen Lage erwarten und erachtet die Zusammenlegung keinesfalls als notwendig oder sogar vorteilhaft.
Die Gemeinde verlangt und besteht auf dasselbe Recht und dieselbe Behandlung, wie sie den Gemeinden Pama und Deutsch-Jahrndorf und noch anderen Gemeinden zuteil wurde.
Wenn schon der Trend besteht, Gemeinden unter 1000 Einwohner zu vereinigen, so fragt man sich, warum Ausnahmen gemacht werden. Die Gem. Edelstal hat daher das volle Recht auf Gleichberechtigung. Zum Schluss sei noch bemerkt, dass nach Ansicht der Gemeindevertretung diese Zusammenlegung ohne Befragung und Einverständnis der Gemeinde die Autonomie der Gemeinde verletzt, außerdem war diese Handlungsweise höchst undemokratisch, ja sie gleicht einer Diktatur.”
Auch nach dem Zusammenschluss wurde von Seiten Edelstals alles unternommen, um wieder eine selbstständige Gemeinde zu werden. Nachdem auch Kittsee zunehmend keine Grundlage für eine gedeihliche Zusammenarbeit sah, wurden Trennungsbeschlüsse gefasst. Die beiden Gemeinden einigten sich über eine Vermögensaufteilung (Körperschafts- und Gewerbesteuer) und konnten so nach langer Zeit auch die Politiker in Eisenstadt überzeugen. Die burgenländische Landesregierung beschloss am 11. Dezember 1991 die Trennung der beiden Gemeinden und die, insbesondere von der Edelstaler Bevölkerung abgelehnte, „Zwangsehe” wurde nach 21 Jahre wieder „geschieden“.
(Johann Gumprecht: 650 Jahre Edelstal. Edelstal 2003. S. 112)