Auch nach der NS-Herrschaft blieb die gesellschaftliche Ausgrenzung für die Roma im Burgenland bestehen. Sie wurden mit Stigmatisierungen, Vorurteilen und Diffamierungen konfrontiert und die Gettoisierung wurde fortgesetzt. Während die Generation, die den NS-Terror überlebt hatte, diese soziale Ausgrenzung meist stillschweigend über sich hergehen ließ oder aus dem Burgenland abwanderte, um in der Anonymität der Großstadt unterzutauchen, so war die Nachkriegsgeneration nicht mehr bereit, diese Situation zu dulden. Eine Gruppe von selbstbewussten jugendlichen Roma wandte sich 1987 an Bundespräsident Kurt Waldheim und bat ihm um Hilfe gegen die alltäglichen Diskriminierungen.
„Oberwart 17.2.1987
Sehr geehrter Herr Bundespräsident!
Betreff: Wegen Rassenverstoßung!
Ich Horvath Herbert, Sprecher aller Jugendlichen Zigeuner in Oberwart und Umgebung möchte Ihnen folgendes mitteilen.
Da die Behörden unsere Rechte nicht verteidigen und respektiere, wenden wir uns deshalb herzlichst an Sie.
In den meisten Discotheken und Lokalen haben die Zigeuner nichts zu trinken bekommen. Denn die Lokalbesitzer werfen die Zigeuner alle in einen Topf. Wir sehen aber auch ein, daß es auf beiden Seiten gute und schlechte Menschen gibt. Da die Behörden nichts dagegen unternehmen, wenn wir sie um Hilfe und unser Recht zu vertreten bitten, weisen sie uns einfach ab. Sie sagen, daß wir diese Lokale nicht besuchen sollen.
Wir sehen nicht ein, daß wenn wir unsere Steuern bezahlen, daß uns einfach unser Recht genommen wird. Weil wir Zigeuner sind, will uns niemand verteidigen. Wenn jemand einem Zigeuner sein recht verteidigt, wird er einfach von der Gesellschaft ignoriert. Wir möchten noch hinzufügen, wenn dagegen nichts unternommen wird, daß wir an keiner Wahl teilnehmen werden. Auch wenn es eine Pflichtwahl geben sollte. Denn wir fühlen uns von der Gesellschaft ausgestoßen. Ich persönlich möchte mich gegenüber unserer Polizei bei Ihnen beschweren. Ein Bekannter und ich waren in der Discothek „Eldorado“ in Oberwart. Wir bekamen in der Discothek nichts zu trinken. Ich fragte nach dem Grund. Daraufhin ließen wir uns das nicht grundlos gefallen. Ich rief gleich darauf die Gendarmerie in Oberwart an, und bat höflichst um Rat und was ich dagegen unternehmen könnte. Der diensthabende Polizist hat mit mir am Telefon derartig zu schreien begonnen. Er sagte, wir sollten das Lokal sofort verlassen und keinen Menschen in der Discothek belästigen. Von Belästigung war aber keine Rede. Wir verließen daraufhin das Lokal.
Am 16.2.1987 ging ich auf die Gemeinde in Oberwart. Dort sprach ich mit dem Gemeindebeamten über das Geschehen des Abends des 15.2.1987. Er sagte, ich sollte mit dem Lokalbesitzer reden, damit wir dort wieder zu trinken bekommen. Aber es hilft uns auch nicht weiter, wenn wir in einem Lokal zu trinken bekommen. Doch in den anderen Lokalen bekommen wir trotzdem nichts. Eben wegen den Vorurteilen der Zigeuner.
Deshalb wenden wir uns höflichst an Sie, daß Sie unsere Rechte vertreten.
Die Meinungen, die wir haben, will niemand anhören.
Darum möchten auch wir die gleichen Rechte, wie jeder Staatsbürger in Österreich haben.
Hochachtungsvoll“ – (es folgen 19 Unterschriften)
(Ausstellung Roma Kinderwelten, Oberwart 2010)