Während im Burgenland der Zweite Weltkrieg mit dem Einmarsch der Roten Armee Anfang April beendet war, dauerte dieser in den anderen Teilen Österreichs noch rund ein Monat an. In dieser Zeit waren sich die Gemeinden und die Bevölkerung bewusst, dass sie sich, trotz der Lebensmittel- und Vieh-Requirierungen, trotz leerer Geschäfte und der Tatsache, von alliierten Hilfslieferungen abgeschnitten zu sein, selbst versorgen mussten. Die Landwirte versuchten mit den geringen verfügbaren Mitteln die Felder zu bestellen, um genügend Erträge für die Selbstversorgung zu erwirtschaften. Um auch die Versorgung der nichtbäuerlichen Bevölkerung zu sichern und das Ernährungswesen zu organisieren, wurden Kontrollausschüsse gebildet, die in jedem Ort aus dem Bürgermeister und einem Vertreter der Produzenten (einem Landwirt) und der Konsumenten (einem Arbeiter) bestanden. Zudem wurde eine Aufbringungskommission erstellt, die aus Vertretern der Parteien bestand und mit Gendarmerie-Unterstützung von Haus zu Haus ging und die Bauern aufforderte, Brotgetreide, Wein, Fleisch und andere Lebensmittel abzugeben. Ein Bericht vom Frauenkirchner Bürgermeister Martin Wetschka vom 8. Juli 1945 verdeutlicht die Ernährungssituation im Bezirk zu dieser Zeit:
„Am 15 .4. 1945 begannen wir in Frauenkirchen mit einer Fleischzuweisung bei einer Kopfquote von 25 dkg. Infolge der fortgesetzten Requirierungen schrumpfte der Viehstand so katastrophal, dass ich mich zuletzt auf eine Staffelung der Quoten und zwar für die Jahrgänge 1935-45: 10 dkg, 1930-1934: 15dkg, 1929 und älter 20 dkg pro Woche beschränken musste. Trotzdem ist der wöchentliche Bedarf rund 430 kg […]. Dies bedeutet, dass wöchentlich zwei Rinder zur Schlachtung kommen müssen. Dieser Bedarf wächst in dem Ausmaße, als Rückwanderer und Heimkehrer eintreffen. Wir haben den Paulhof, der nicht zum Verwaltungsgebiet der Gemeinde Frauenkirchen gehört, nachdem sich um die dort wohnende Bevölkerung niemand angenommen hat, in unsere Versorgungsordnung einbezogen. Vom Paulhof bekamen wir wohl Vieh, jedoch ist auch dort der Viehbestand erschöpft. […] Ich habe vor für die Schnitter, außer der versprochenen Mehlzubusse, mit einer Fleisch- und Wurstzuteilung vorzugehen. […] denn es handelt sich um die Entlohnung einer der schwersten Arbeiten, […] Die erste Mehlzuteilung erfolgte am 22. April 1945 und betrug pro Person 1,75 kg. Eine weitere Zuteilung bestand aus 10 kg Weizen, 1 kg Korn und 1 kg Gerste. Mengenmäßig ausgedrückt besteht ein Erfordernis von einem Waggon pro Woche. Diese Menge aufzubringen wird von Tag zu Tag schwerer. […]. Das größte Problem ist jedoch die Inbetriebnahme des Elektrizitätswerkes und damit der Mühle. Die Bestandteile des Elektrowerkes mussten erst aus Bruck geholt werden, doch treten immer wieder Unterbrechungen auf, sodass die Mehlversorgung in Frage gestellt wird. Ein unlösbares Problem ist die Versorgung mit Zucker. Die geringen noch zur Verfügung stehenden Bestände wurden über ärztliche Verschreibung für Kinder bis zu 6 Monate [sic!] zugeteilt. Der Vorrat ist jedoch erschöpft. Wenn heuer eine Zuckerrübenproduktion von 5000 Waggon erfolgt, so sind 7 Millionen kg Zucker zu erwarten. Es würde somit beiläufig 1 kg Zucker pro Kopf und Jahr entfallen. Der frühere Jahresverbrauch pro Person war 26 kg. […] Von den Imkern brachten wir Honig auf und gaben diesen über ärztliche Verordnung nur für Kinder ab. Auch dieser Vorrat ist verbraucht. Es erfolgten dann Zuteilungen von Griess und zwar einmal 1 kg und dann 40 dkg pro Person. Salz wurde dreimal zugeteilt. Milch wird laufend für Kinder bis zu 3 Jahren im Ausmaße von ¾ Liter und für Kinder bis 6 Jahren mit ½ Liter verabreicht. Je einen halben Liter erhielten kranke und alte Leute. Die Kindernährmittel wurden ebenfalls, solange der Vorrat reichte, nach Bedürftigkeit und Vorrat abgegeben. Der Schweinebestand ist durch Requirierungen gleich Null. Ein großer Teil der Bevölkerung ist seit Monaten ohne Fett. Ich habe die Absicht die Landwirte zu einer Freiwilligen Abgabe von Fett aufzurufen, um diese dann an Bedürftige abzugeben. Ich denke, dass wir von ca. 400 Haushalte [sic!] je ¼ kg Fett gestellt bekommen werden. […].“
(BLA, Ereignisse 1945-1955. Bezirk Neusiedl am See. Frauenkirchen)