Ende der 1950er Jahre entdeckte der deutsche Urlaubsgast zunehmend das Burgenland. Die im Land vorhandene Infrastruktur entsprach jedoch nicht immer den Vorstellungen der Gäste, wie uns ein Beschwerdebrief eines Urlaubers aus Saarbrücken 1961 zeigt:
„An den Leiter des Fremdenverkehrsverbandes für das Burgenland
Seit zwölf Jahren führt meine Frau und mich alljährlich eine vier- bis fünfwöchige Urlaubsreise nach Österreich. […] Aber in diesem Jahr haben wir uns auch einmal das Burgenland sehr ausführlich ansehen und erleben wollen. […] Der Tag ging zur Neige und wir mussten uns um eine Unterkunft umsehen. In Rust und Mörbisch war wegen der Festspiele alles belegt. […] Wir fuhren nach St. Margarethen zurück und sahen uns dort etliche Zimmer an. Die primitive Einrichtung war dort überall die gleiche. Jahrzehnte trennen in dieser Hinsicht das Burgenland von den übrigen Österreich! Und eine Unverschämtheit ist es, dass man von massgebender Seite diesen Leuten das Recht gibt, für das „Bett“ 20 Schillinge fordern zu dürfen! Die Leute können nichts für ihre Armut, aber bevor man mit Übernachtungen Geld verdienen will, muss man zuerst einmal dementsprechend investieren. […] Ich muss Ihnen schildern wie dieses Zimmer eingerichtet war: Über eine Hühnerleiter erreichten wir im Speicherraum eine Kammer. Jeweils, zwei über Kreuz genagelte Bretter, waren Kopf- bzw. Fussende. Darüber lag ein auf ein Lattengestell genagelter Maschendrahtrahmen. Darauf lag Strohsack mit einem Bettuch [sic!] überzogen. Den Abschluss bildeten zwei Wolldecken und ein Kopfkissen mit undefinierbarer Füllung. Von dieser Art „Betten“ waren an jeder Wandseite eines aufgestellt. In einer Ecke ein antiquarischer Tisch und gegenüber etwas ähnliches wie ein Schrank. Das war die Zimmereinrichtung.
In diesem Speicherraum, zwischen alten Pferdegeschirren stand ein Nachttisch ohne Platte. In diesem Rahmen hing eine alte Waschschüssel. Daneben stand eine Gießkanne mit Wasser und ein Urinstickender Eimer für das Abwasser. Es wurde uns bedeutet, dass dieser Eimer auch gleichzeitig die Toilette war. Als ich am nächsten Morgen die richtige Toilette aufsuchen musste, war ich schon im voraus auf das Schlimmste vorbereitet. Es wurde noch übertroffen durch das was ich in Wirklichkeit vorfand. Am Ende der Häuserreihe war hinter einem Lattenzaun ein „Donnerbalken“ hinter dem aufgehäuft der menschliche Abfall lag. Da verging mir sogar der Zwang zum Austreten!
Wir setzten uns schleunigst in unseren Wagen und hielten dann außerhalb des Ortes in der freien Natur.
Ich selbst bin in russischer Gefangenschaft gewesen und habe viel erlebt und gesehen, aber so etwas in der Zivilisation vorzufinden, hätte ich nicht zu träumen gewagt. […]“
(BLA, XII/6, 1962, 1-200, XII/6-67-62)