Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden in Eisenstadt ein Sicherheitsapparat mit Kriminalpolizei-Leitstelle, eine Außenstelle der Gestapo mit Gestapogefängnis und ein Büro des Sicherheitsdienstes der SS eingerichtet. Der Sicherheitsdienst (SD) hatte die Aufgabe, die politischen Gegner zu überwachen. Ein wesentliches Aufgabenfeld der SD-Stellen war der Aufbau eines flächendeckenden Netzes von Spitzeln – so genannten V-Männern (Vertrauensmännern) – die aus allen Berufsgruppen angeworben wurden. Ohne die Hilfe der Spitzel und DenunziantInnen aus der Bevölkerung war eine lückenlose Überwachung der Bevölkerung nicht möglich. Besonders ehemalige Funktionäre der „Vaterländischen Front“ (VF) und Politiker der Linken standen unter der ständigen Kontrolle des SD. Die Berichte wurden vom SD gesammelt und ausgewertet und danach zum Vollzug an die Gestapo weitergegeben. Ebenso wurden nun alte Rechnungen beglichen. So auch im kleinen Ort Potzneusiedl.
Der Ortsleiter der NSDAP Gattendorf-Potzneusiedl schrieb am 27. Juni 1938 an die Kreisleitung in Bruck/Leitha: (Um den Text halbwegs lesbar zu machen, wurden zahlreiche grammatikalische Fehler vom Autor korrigiert. Der Satzaufbau wurde teilweise im Original belassen.)
Bericht über die Volksabstimmung in der Gemeinde Potzneusiedl, war Sehr gut.
Illegale Bewegung gab es keine, es waren einige Männer die sympathisiert haben mit dem Nationalsozialismus und die, die Führung in die Hand nahmen und die ganze Gemeinde dazu brachten um 100% Abstimmung zu können uns so man tatsächlich von 395 Stimmberechtigte 395 ja Stimmen zusammen. Bemerkenswert ist das, dass auch solche Personen, die die größten Feinde des Nationalsozialismus waren und jetzt noch sind auch mit ja stimmten, aber nur um ihren Posten zu erhalten. Zum Beispiel der Oberlehrer P. war Leiter der VF und Raiffeisenkassa. Er drohte, wer nicht bei der VF ist, den wird das Darlehen gekündigt. Bei den Kundgebungen wurde er ersucht den Radioapparat für Gemeinschaftsempfang im Schloss aufzustellen. Der Apparat wurde öfters bei den Kundgebungen der VF aufgestellt und funktionierte tadellos. Natürlich bei den Kundgebungen des Führers vor der Volksabstimmung funktionierte der Apparat nicht und so musste dann der Gemeinschaftsempfang aufgelöst werden. Der Postmeister S., der eine ortsübliche bekannt Jüdin (bzw.) Mischling zur Frau hat, sprach kurz vor der Übernahme bei einer Sonnwendfeier, die er Johannesfeier nannte, das rote Gesindl und die Mordbuben müssen vertilgt werden. Weiters hat er mit der Waffe in der Hand gegen das Reich bei den Unruhen gekämpft und so bekam er den Posten als Postmeister. Der Briefträger D., Besitzer von 18 Joch Grund, Pferd und Kühe ist und der Onkel zum Postmeister ist sprach: ‚wartet nur, Schweine werdet ihr wenige abstechen, Fische werdet ihr fressen […]‘
Diese Personen sind derzeit gänzlich politisch unverlässlich. Es wird gemeldet, dass die Gemeinde Potzneusiedl 160 und die Gemeinde Deutsch Haslau 60 Hausnummern hat und keine zwei Briefträger notwendig wären. Daher wird beantragt einen abzusetzen. Weiters verlangt die ganze Gemeinde eine Regelung des Postpersonals.
Ansonsten ist die Gemeinde Potzneusiedl außer den oben genannten sehr zu Gunsten des Nationalsozialismus eingestellt.“
(Burgenländisches Landesarchiv. BH Neusiedl am See. Gruppe XI/N.1. 390/2-12)