Die Familie von Arpad Latzer betrieb in Deutsch Kaltenbrunn eine Gemischtwarenhandlung. Die im Ort sehr angesehene jüdische Familie wurde nach der Machtübernahme der örtlichen Nationalsozialisten beraubt und misshandelt. Arpad Latzer und seine Mutter Bertha wurden über die jugoslawische Grenze getrieben und hielten sich einige Zeit in Zagreb auf. Am 21.1.1939 schrieb Berta Latzer einen Brief an die Mutter ihres ehemaligen Kaufmannslehrlings Rudi Resetaritsch – ein Dokument, das die Verbundenheit der Familie Latzer mit vielen Bewohnern von Deutsch Kaltenbrunn aufzeigt.

Das Foto von der Gemischtwarenhandlung Paul Latzer (Arpads Vater) zeigt den Angestellten Rudi Resetarisch bei der Übernahme der Post. © Engelbert Kremshofer

„Liebe Frau Resetaritsch!
Sie werden gewiss erstaunt sein, von mir einen Brief zu bekommen, jedoch war es mir aus verschiedenen Gründen leider nicht möglich, Ihnen früher zu schreiben. Mein lieber Sohn ist seit langer Zeit in England, wo es ihm sehr gut geht. Er hat dort einen guten Posten und er schreibt mir sehr oft. Nun bitte ich Sie, liebe Frau Kathi, mir zu schreiben, was Sie und der liebe Rudi machen, ich denke Tag und Nacht auf den l. Rudi. Ist er noch im Geschäft? Was wissen Sie von Kaltenbrunn Neues? Bitte schreiben Sie mir alles genau. Bitte schreiben Sie mir alles genau, da mich das alles sehr interessiert. Was ist mit Lisi? Ist sie auch noch dort? Was machen alle bekannten Kaltenbrunner, Familie Tajmel, Jany und alle anderen Bekannten? Sind Bekannte aus Kaltenbrunn von uns schon im Krieg gefallen aus Kaltenbrunn? Bitte mir alles genau zu schreiben, damit ich weiss, was zu Hause los ist. Hier glaubt man, dass der Krieg sehr bald zu Ende sein wird u. das es ein baldiges Wiedersehn gibt. Ist die Rena zu Hause? Die wird sicher schon ein grosses Fräulein sein. Mir geht es hier gut, denn da spürt man nichts von Krieg. Haben Sie noch genug Lebensmittel? Hier bekommt man alles in Hülle und Fülle. Es würde mich sehr freuen, wenn es Ihnen möglich wäre, dass Sie mich besuchen kommen möchten. Es ist ja nicht so weit. Beiligendes Kouwert für die Antwort zu verwenden, es ist meine Adresse. Ich grüße Sie und alle, alle Bekannten auf das herzlichste, besonders meinen lieben Rudi und verbleibe, ihre baldige Antwort erwartend,
Ihre Berta Latzer.
Meine Adresse: Julio Hirschler, für Latzer, Zagreb, vlaska ul. 75 b, III, Jugoslavien.“

Ob Arpad Latzer wirklich in London war, ist sehr fraglich. 1947 wurde von Angehörigen berichtet, dass Arpad im Jahr 1942 im Arbeitslager Brcko in Jugoslawien gewesen sein soll und seither jede Spur von ihm fehle. Im Brcko kam es während des Krieges zu Massenhinrichtungen von jüdischen Gefangenen durch die kroatischen Ustascha-Faschisten. (Herzlichen Dank an Engelbert Kremshofer, Ottendorf, für die Überlassung des Briefes aus seiner Sammlung)