Etwa dreißig Jüdinnen und Juden lebten bis zum Jahr 1938 in Neusiedl am See, bevor sie vom NS-Regime vertrieben wurden. Nur ein jüdischer Bewohner, der Schnittwarenhändler Emmerich Benkö, der sechs Konzentrationslager und den Todesmarsch überlebt hatte, kam 1945 nach Neusiedl am See zurück. Mühsam gelang es ihm, wenigstens einen Teil des Besitzes seiner Eltern zurückzuerlangen und das Geschäft wiederaufzubauen. Die gesundheitlichen Schäden, die Emmerich Benkö durch die Haft erlitten hatte, blieben jedoch ständige Begleiter. So schrieb Emmerich Benkö 1965 an Primar Schober über seine körperlichen und seelischen Leiden:
„Es war furchtbar in der alten Heimat zu sein und ganz allein[,] denn alle meiner Angehörigen wurden ausgerottet. Nicht nur mein Körper war wund und trug die Spur en erlittener Leiden, sondern besonders meine Seele. Körperlich wurde ich in den verflossenen Jahren zumindest soweit hergestellt, daß ich meinem Beruf nachgehen kann, jedoch seelisch ist mein Zustand, eher schlechter, als besser geworden. Ich bin seit 1950 bei Herrn Dozenten Ringel in Behandlung und es dürfte seiner Fürsorge zu danken sein, daß ich überhaupt das Leben noch erträglich finden kann. − Trotzdem [sic!] ich seit 18 Jahren verheiratet bin und zwei Kinder habe[,] komme ich von der Vergangenheit nicht los. Ich träume fast allnächtlich vom Lager, sehe plastisch die Bilder vor mir, den letzten Anblick meiner Angehörigen, wache schweißgebadet auf und kann nicht mehr einschlafen. Es ist ortsbekannt, daß man mich im frühen Morgengrauen schon auf den Äckern herumstreifen sehen kann. Denn so gewinne ich für kurze Stunden meine Ruhe. Quälende Kopfschmerzen plagen mich oft tagelang, scheue jede Gesellschaft von Menschen, denn unwillkürlich kommt immer wieder das Gespräch in eine Richtung, die mich in die Vergangenheit führt. Das Autolenken ist für mich eine Plage (ich muß es leider aus Berufsgründen)[,] ich fürchte immer zu verunglücken, selbst zu Fuß die Fahrbahn zu überschreiten fällt mir schwer, da ich Angst habe. […] Verschiedene von diversen Ärzten verschriebene Beruhigungsmittel und ähnliche Medikamente erweisen sich nach kurzer Zeit als nutzlos. Ich glaube kaum, daß es eine Therapie gibt, die mir meinen Seelenfrieden zurückgeben könnte, wobei ich schon glücklich wäre, wenn ich von den damit zusammenhängenden körperlichen Schmerzen befreit werden könnte.“
(Martin Pieber: Die jüdische Familie Wallenstein-Benkö. Oberwart 2018. S. 115)