Der Abzug der Besatzungsmächte und die Erlangung der vollen Souveränität waren nach 1945 Österreichs wichtigstes außenpolitisches Ziel. Im Zuge des Kalten Krieges „froren“ jedoch die Verhandlungen ein. Der Tod Stalins 1953 leitete eine „Tauwetterperiode“ ein und im Zuge dessen schien sich auch das Blatt für Österreich zu wenden. 1955, zehn Jahre nach Kriegsende, konnte der Staatsvertrag unterzeichnet werden. Wie verfolgte die Bevölkerung des Burgenlandes das Ringen um den Staatsvertrag? Die Gendarmerie beobachtete die Stimmung in der Bevölkerung: (Auszüge aus dem Bezirk Mattersburg)
Gendarmeriepostenkommando Mattersburg, April 1955: „Die Reise der Regierungsdelegation wurde in der Öffentlichkeit viel besprochen und wird ein baldiger Abschluß des Staatsvertrages erwartet.“
Gendarmeriepostenkommando Draßburg, 25. April 1955: „Die Stimmung der Bevölkerung im hiesigen Postenrayone ist gut. Die jüngsten Ereignisse haben jedoch noch wesentlich dazu beigetragen. Die Verhandlungen in Moskau wurden mit lebhaftem Interesse verfolgt und das Ergebnis der Verhandlungen bei der Bevölkerung eine Befriedigung ausgelöst.“
Gendarmeriepostenkommando Sieggraben, April 1955: „Seit Bekanntwerden des günstigen Verhandlungsergebnisses mit Rußland bezüglich des österreichischen Staatsvertrages herrscht bei der Bevölkerung eine recht gute Stimmung und es wird die Räumung Österreichs durch die Besatzungsmächte baldigst erhofft.“
Gendarmeriepostenkommando Pöttsching, Mai 1955: Die Stimmung ist auf Grund des unterzeichneten Staatsvertrages durch die 4 Außenminister sehr gut. Am Tage der Unterzeichnung herrschte unter allen Bevölkerungskreisen große Freude. Jedes einzelne Haus war beflaggt und zum Teil waren die Fenster mit Blumen geschmückt. Überall auf der Straße und in den Lokalen wird das Thema „Staatsvertrag“ diskutiert.“
Gendarmeriepostenkommando Neudörfl, Juni 1955: „Die Stimmung ist gut und wurde durch die Abschaffung der Identitätskarte noch erhöht.“
Bezirkshauptmannschaft Mattersburg, Juni 1955: „Die Vorbereitungen zur Durchführung des Abzuges der Besatzungstruppen werden von der Bevölkerung mit Befriedigung aufgenommen. Man hofft jetzt mit Sicherheit, dass in einigen Monaten Österreich endgültig von allen Besatzungstruppen geräumt sein wird. Lebhafte Debatten werden in allen Kreisen der Bevölkerung über das zukünftige Bundesheer geführt, wobei die Frage der Notwendigkeit eines Bundesheeres allgemein bejaht wird.“
Gendarmeriepostenkommando Neudörfl, September 1955: „Obwohl in der Gemeinde Neudörfl keine Besatzungstruppe stationiert war und die in Wr. Neustadt stationierte Truppe mit der hiesigen Bevölkerung nur sehr wenig in Berührung kam, hat der Abzug der Besatzung aus ganz Österreich bei allen Schichten der hiesigen Bevölkerung große Freude ausgelöst.“
Bezirkshauptmannschaft Sauerbrunn, Dezember 1955: „Die Stimmung der Bevölkerung ist gut. Die Aufnahme Österreich in die UNO wurde von der Bevölkerung mit Befriedigung zur Kenntnis genommen. […] Man will sich endlich an der gewonnen Freiheit erfreuen und den Frieden genießen. Die 10 Jahre Besatzung waren für jedermann eine Last.“
(BLA. BH Mattersburg. XI 1954-1955 Situationsberichte)